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Wie wir wurden, was wir sind

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Ein Buch über die Firma Samen Schwarzenberger. Vom Gründer Johann bis zur Betriebsübergabe 2022 von Erich an Markus Schwarzenberger. Viele Jahrzehnte beschreiben spannendste Ereignisse.

Die erste Frau der

Die erste Frau der Firmenchronik: Erinnerungen an Anna Dollinger Annas Philosophie war so einfach wie strikt: Was wir nicht selbst haben, das brauchte die Menschheit auch nicht unbedingt. Anna wuchs als „lediges“ Ziehkind in Afling auf. Gesprochen wurde darüber nicht viel, doch wer zwischen den Zeilen lesen konnte, der erahnte, dass es keine liebevolle Bleibe war, wo Anna aufwuchs, sondern eher ein Ort, an dem auch ihre Kinderhände hart anpacken mussten. Diese Jahre haben Anna mit Sicherheit geprägt, denn, wie Erich Schwarzenberger heute erzählt: „Sie war für mich nicht, wie man es sich so vorstellt, die liebe Oma, sondern eher der General, der keine Widerrede duldete.“ Das bekam später auch seine Frau Aloisia zu spüren, denn die Herrin des Hauses erwartete viel. Doch Anna hatte, wenn schon keine besonders ausgeprägte emotionale Ader, ein großes wirtschaftliches Talent. Sie verstand sich ausgezeichnet darauf, das Geld zusammenzuhalten, um später wieder ein Stück Grund zu kaufen. Über Geld gesprochen wurde jedoch nie und es wurde, wie man sich denken kann, auch nur ungern ausgegeben. Das war auch nicht oft notwendig, denn die Familie lebte quasi autark und konnte sich mit nahezu allem, was man brauchte, selbst versorgen. Wenn die Enkelkinder fragten, ob sie denn nicht auch mal Weißbrot bekommen könnten, dann hieß es nur: Ist euch das Schwarzbrot nicht gut genug? Und damit war das Thema beendet, denn Annas Philosophie war so einfach wie strikt: „Was wir nicht selbst haben, das braucht die Menschheit auch nicht unbedingt.“ Und so wurden lediglich Zucker, Salz, ein kaffeeähnliches Pulver, Gewürze und ab und zu Kochschokolade eingekauft, denn die schmeckte den Kindern nicht besonders, und dementsprechend wurde auch nicht viel davon gegessen. Wieder was gespart. Hinter der kühlen Art, welche Anna den Kindern gegenüber mitunter an den Tag legte, verbarg sich, so vermutet Enkel Erich in der Retrospektive, wohl auch Angst. Denn bei den zwei größeren Unfällen, die Erichs beiden Geschwistern widerfuhren, war Anna beteiligt – sowohl als Otto seine Finger verlor (siehe S. 61), als auch in einem Augenblick der Unachtsamkeit, als Anna mit Helga auf dem Arm ausrutschte und das kleine Mädchen mit dem Gesicht voraus gegen einen Kasten prallt. Das Ergebnis war eine Narbe, die ihr ewig blieb. Doch selbst die gestrenge Anna konnte herzhaft lachen – wann immer Neckereien angesagt waren, war sie dabei – und die sonst so ernste Oma lachte, ihre Augen blitzten vor Freude und sie fuchtelte wild mit dem Putzfetzen herum (sie traf immer, worauf sie zielte). Doch so schnell, wie solche Momente losbrechen konnten, so schnell waren sie auch wieder vorbei. 16 17