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Wie wir wurden, was wir sind

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Ein Buch über die Firma Samen Schwarzenberger. Vom Gründer Johann bis zur Betriebsübergabe 2022 von Erich an Markus Schwarzenberger. Viele Jahrzehnte beschreiben spannendste Ereignisse.

1960 übergab Johann den

1960 übergab Johann den Betrieb offiziell an Erich. Das war in den Augen Johanns aber eher als formaler Akt zu sehen, denn er dachte gar nicht daran, sich nun auch aus der Geschäftsführung zurückzuziehen. Frieden wiederhergestellt. Und da und dort ergaben sich doch immer wieder Schnittstellen der Zusammenarbeit, die nun, da die Grenzen klar gezogen waren, hervorragend funktionierte. Kongeniale Zusammenarbeit. So war es auch Anfang der 1960er Jahre. Tirol war im Rausch. Die olympischen Winterspiele, die 1964 in Innsbruck stattfinden sollten, hatten einen wahren Bauboom ausgelöst – nicht nur im Tal, sondern auch auf den Bergen. Für die Bürgermeisterlifte, wie Kleinstlifte bezeichnet wurden, wurde sehr viel Boden bewegt. Erich und Johann waren in dieser Zeit oft gemeinsam in den Bergen unterwegs, um Pflanzenbestandsaufnahmen anzufertigen und um sich ein Bild davon zu machen, wie Böschungsmischungen beschaffen sein mussten. Auf Probeflächen, die mit Mischungen verschiedenster Anbieter bestückt wurden, machten sich die Schwarzenberger- Mischungen hervorragend und das blieb nicht unbemerkt. Auch der Botaniker Prof. Dr. Hugo Schiechtl, der Erfinder der Strohdecksaat, wurde auf das emsige und innovative Unternehmen in Völs aufmerksam. Man verstand sich, sogar sehr gut, und fortan arbeitete man in vielerlei Hinsicht eng zusammen. Die Folge dieser höchst fruchtbaren Zusammenarbeit war, dass die Saatgutmengen in dem damals noch recht kleinen Lager kaum mehr zu bewältigen waren. Es gibt Dinge, über die man doch gerne jammert, nicht wahr? Die enge Zusammenarbeit mit Hugo Schiechtl erstreckte sich über viele Jahre und brachte dem Unternehmen Aufträge im Land und weit über dessen Grenzen hinaus ein. Unter anderem kam das Völser Saatgut auch im Zuge der Olympischen Winterspiele 1968 in Grenoble zum Einsatz. Als das Unternehmen Holz Pfeifer in Ehrwald ein Skigebiet errichtete, war es wiederum Hugo Schiechtl, der den Völser Familienbetrieb in Sachen Begrünung – eine Schotterhalde sollte zur grünen Piste gemacht werden – wärmstens empfahl. Und in der Tat konnte man auch diese Herausforderung meistern, denn eine Begrünung auf Schotter zu garantieren – und eine Garantie war erwünscht – war keine Selbstverständlichkeit. Wie so oft schon in der Geschichte des Unternehmens widerlegte die Praxis die schnöde Theorie, die auch hier davon ausgegangen war, dass es eben nicht machbar sein würde. Erich Schwarzenberger fiel nämlich an der Entladestelle am Bahngleis auf, dass exakt dort, wo immer wieder der eine oder andere Samen den Weg auf den kargen Boden fand, das Gleisbett tatsächlich schön begrünt war. Also kreierte man eine spezielle und passgenaue Mischung – und der Auftrag wurde zur vollsten Zufriedenheit abgewickelt. ▞ In Memoriam Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Hugo Meinhard Schiechtl (1922–2002) Geboren am 17.März 1922 in Innsbruck, kehrte Hugo Schiechtl 1945 als einziger von fünf Brüdern aus dem Krieg zurück. Der HTL-Hochbauund Architektur-Absolvent trat in den Dienst der Wildbach- und Lawinenverbauung/Bauleitung Innsbruck und begann so in landeskulturell wichtige Aufgaben hineinzuwachsen. Sein Chef erkannte das technisch-biologische Naturtalent und ermunterte den jungen Techniker, Botanik an der Universität Innsbruck zu studieren, um sich später den Aufgaben biologischer Verbauungsmethoden zu widmen. 1957 wechselte H. M. Schiechtl in die Forstliche Bundesversuchsanstalt Innsbruck. In der Folge entwickelte sich ein Wissenschaftler mit stark ausgeprägtem Sinn für eine Umsetzung theoretischer und empirischer Kenntnisse in die Praxis; ideenreich, schöpferisch, stark publizistisch orientiert. Ein Abenteurer, stets mit wissenschaftlich-praktischen Ambitionen in vieler Herren Länder unterwegs. National und international hat sich die selbstverständliche Meinung geformt, dass „der Schiechtl“, in welcher Form auch immer, etwas mit der Landschaft schlechthin zu tun habe. Als Vegetationskundler, vor allem als Vegetationskartograf an der Forstlichen Bundesversuchsanstalt, ergründete er ökologische Zusammenhänge in der Landschaft und schuf für den Alpenraum einzigartige Kartenwerke über die Vegetation. Dadurch erfuhr die Geobotanik im Sinne der klassischen Innsbrucker Schule von H. Gams und H. Friedel traditionsstarke Fortsetzung, wobei auch ein Brückenschlag zur Schwesteruniversität Grenoble und dort zum Geobotaniker und Dr. h. c. der Universität Innsbruck P. Ozenda erfolgte. Durch diese Zusammenarbeit wurde der Druck der Karte der aktuellen Vegetation von Tirol und der Nachbargebiete 1:100.000 (Verkleinerung nach Originalaufnahmen 1:25.000) erst möglich. Dieses, von Schiechtl in den wesentlichen Zügen gestaltete Werk repräsentiert mit 30.000 Quadratkilometern das größte mit einheitlichen Methoden vegetationskartographisch erfasste Gebiet im Alpenraum. Die konsequente Weiterentwicklung der Ingenieurbiologie durch Schiechtl führte seit 1958 zu einem Wissens- und Erfahrungsschatz, der seinesgleichen sucht. Seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in angewandter Forschung und Planung auf den Gebieten Geobotanik, Wildbach- und Lawinenverbauung, Landschaftspflege und Naturschutz, vor allem aber in der Ingenieurbiologie entspricht die Vielzahl verschiedenster Publikationen bis knapp vor seinem Heimgang. Quelle: Roland Stern (2003): In memoriam Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Hugo Meinhard SCHIECHTL (1922- 2002) – Berichte des naturwissenschaftlichen-medizinischen Verein Innsbruck – 90: 315–322. 36 37