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Wie wir wurden, was wir sind

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Ein Buch über die Firma Samen Schwarzenberger. Vom Gründer Johann bis zur Betriebsübergabe 2022 von Erich an Markus Schwarzenberger. Viele Jahrzehnte beschreiben spannendste Ereignisse.

Eingefädelt In den

Eingefädelt In den 1970er Jahren musste importiertes Saatgut in der Landesanstalt für Pflanzenzucht und Samenprüfung in Rinn zusätzlich auf Reinheit und Keimfähigkeit untersucht werden, egal was das ISTA-Zeugnis besagte. Während bei normalen Gräsern – eine Partie hatte maximal 10.000 Kilogramm – aus 40 von 400 Säcken ein Muster gezogen werden musste, war das Prozedere bei Kleesamen und Timothe aufwändiger. Hier war aus jedem Sack ein Muster zu ziehen. Doch so einfach, wie das klingt, war es nicht. Jeder Sack wurde hinter der Maschinennaht mit einem Spagat, der per Nadel angebracht wurde, verschlossen, damit er nicht nochmal geöffnet werden konnte. An diesem Spagat wurde das amtliche Etikett angebracht. Auf jeden dieser Säcke kam in der Folge ein Musterbeutel mit derselben Nummer. Die Muster kamen schließlich in die Landesanstalt zur Untersuchung. Und bis der Untersuchungsbericht und damit das endgültige Etikett für jeden Sack im Haus waren, vergingen bis zu vier Wochen. In der Zwischenzeit durfte natürlich nichts von dieser Ware verkauft werden. schallte die Durchsage „Sammelruf – der Hobel kommt“, woraufhin jeder auf der Hut war. Nachdem im Haus nichts mehr zu holen war, bediente sich der gute Hobel eben draußen. Als er eines Tages im Begriff war, eine große Abdeckplane, die vor der Werkstatt lag, aufzuladen, kam Erich sen. gerade ums Eck. Auf Nachfrage, was genau er denn hier eigentlich mache, meinte er nur lapidar: „Dachte, es braucht’s de nimmer, weil sie do liegt.“ Also lud er die Plane wieder ab und zog von dannen – bis zum nächsten Streich. Auf der Walz. Die Zeit blieb nicht stehen. Otto, der älteste Sohn von Erich sen., war 1974 – nach Abschluss der Handelsschule und einem Jahr in Rotholz – in den Betrieb eingestiegen. Am 7. Juli 1977 begab Otto sich auf die Walz in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er bis Dezember bleiben sollte. Sein Ziel war es, bei Lieferanten und Züchtern mehr über die Abläufe zu lernen und Verbesserungsideen nach Hause zu bringen. Für die ganze Familie war das natürlich etwas Besonderes. Über Fernschreiber gab Otto Bescheid, wo er gerade war. Telefoniert wurde alle drei bis vier Wochen, denn das kostete richtig viel Geld. Die Anrufe kamen meistens am Abend, wo sich dann die gesamte Familie – Johann, Anna, Erich sen., Luise, Helga und Erich Jun. – am Tisch versammelten. Erich sen. hatte eigens ein Telefon umbauen lassen, damit alle dem Gespräch folgen konnten. Eines Tages kam ein Paket aus den USA an. Otto hatte diverse Prospekte geschickt, sonst jedoch keine einzige Zeile. Den Vater ärgerte das fürchterlich und er tat Otto seinen Unmut via Fernschreiber kund: „Kein Servus, kein Hallo, kein Leck mich am A..., was soll das?“ Die Antwort kam post- bzw. fernschreibwendend: „Leck mich am A… kommt mit separater Post, sonst hätte der Versand ein Vermögen gekostet.“ Legendär war die Sprechanlage, die 1976 Einzug hielt. Wenn man genau wusste, wo jemand war, war das kein Problem. Interessant wurde es, wenn ein Rundruf gestartet werden musste – da galt die Nennung des Codeworts „Sammelruf“. Jeden Tag um Punkt 12 Uhr war nun im ganzen Gebäude zu hören: „Sammelruf – essen gehen.“ Artikel in der Tiroler Tageszeitung 1977: „Handel und Einkauf von Klee- und Grassamen wird über die Samenbörsen in Kopenhagen, Paris, New York und Winnipeg abgewickelt, wobei das Völser Unternehmen sozusagen einen ständigen direkten Draht via Fernschreiber und Telefon unterhält.“ Eine komplexe Angelegenheit Was Samen-Mischungen anbelangt, ist es keineswegs so, dass man einfach etwas zusammenmischen kann. Das ist heute noch so und war damals nicht anders. Doch geregelt ist das Ganze mitunter recht kompliziert. Zum einen gibt es den österreichischen Mischungsrahmen. Dann gibt es Mischungen, die außerhalb dieses Rahmens liegen, wie z. B. die Kolsass-Weerer-Mischung (siehe S. 35). Derartige Mischungen mussten lediglich angemeldet und konnten in der Folge produziert werden. Weder waren ein Mischjournal noch ein Rückstellmuster oder eine endgültige Registrierung vonnöten. Zudem gab es aber auch noch die österreichischen Qualitätsmischungen. Hier musste an die Landesanstalt für Pflanzenzucht und Samenprüfung gemeldet werden, von welcher Mischung wie viel und in welchem Gebinde produziert wird. Voraussetzung war natürlich ampferfreie Ware. Ein Mitarbeiter der Landesanstalt Rinn beaufsichtigte in der Folge die gesamte Produktion – vom Mischen bis zum letzten abgefüllten Sack. Alle Reinsaatenetiketten wurden eingesammelt, ein Bericht wurde geschrieben und somit war diese Ware für den Verkauf freigegeben. 58 59